Februar 19, 2021

Wie alles begann …

„Tobias ist keine Zeuge Jehovas mehr“. Mit dieser Bekanntmachung im Königreichssaal der Zeugen Jehovas endete meine 27-jährige Mitgliedschaft in dieser Gemeinschaft. Hier war lange Zeit mein Zuhause und auch das meiner ganzen Familie. Die meisten unserer Freunde, ja sogar unsere besten Freunde und viele Verwandte sind allesamt Zeugen Jehovas.

Aber mit dieser kurzen und emotionslosen Bekanntmachung änderte sich von jetzt auf gleich alles. Denn Zeugen Jehovas wissen was eine solche Bekanntmachung bedeutet. Es bedeutet den Schalter umlegen, Freundschaften einfach kündigen, Blutsverwandtschaft ignorieren, ja es ist das Herausreißen von langjährigen Beziehungen aus dem eigenen Herzen. Es gleicht einer Amputation ohne Betäubung. Der Schmerz ist nur dumpf, da man durch jahrelange Indoktrinierung gelernt hat, den Schmerz zu ignorieren. Und je mehr Freunde und Verwandte aus dem Herzen gerissen werden, desto abgestumpfter wird man.

An diesem Tag wurde das, was ich schon Jahre vorher eher als Beobachter gesehen habe, die knallharte Wirklichkeit für mich, meine Frau und unsere ganze Familie. „Kontaktverbot“ heißt die schärfste Waffe der Zeugen Jehovas. Mobbing unter dem Deckmantel einer „liebevollen Zuchtmaßnahme“. Wenn es einen selbst betrifft tut es noch mal mehr weh. Auch wenn ich mir voll bewusst war was geschehen wird, wenn ich meinen Austritt bekannt gebe, habe ich insgeheim gehofft, dass meine „Brüder und Schwestern“ eine jahrelang gewachsene Bindung zwischen uns nicht einfach so kappen würden. Und doch ist genau das passiert. Einige wenige haben noch mit mir gesprochen, telefoniert und auch geweint.

Ab diesem Zeitpunkt galt ich als Abtrünniger, Persona non grata, als einer der Feinde Jehovas. Keiner durfte nachfragen was geschehen ist, warum ich kein Zeuge Jehovas mehr sein wollte und warum ich fortging. Aus dem Wunsch heraus bei meinen vielen Freunden Verständnis zu gewinnen, habe ich mich dann hingesetzt und eine Broschüre geschrieben, der Titel: „Warum ich fortging“. Etwa zweihundert Stück habe ich per Post verschickt. So etwas von einem „Abtrünnigen“ zu lesen ist natürlich streng verboten. Kritik von außen wird so wirksam verboten. Die Neugier hat doch einige dazu gebracht die Broschüre zu lesen. Geschrieben habe ich über meine Zweifel, Gewissensbisse als Ältester und die vielen falschen Lehren der Leitenden Körperschaft. Am Ende habe ich davon geschrieben, wie ich Jesus neu entdeckt habe und endlich die Freiheit gefunden habe, die nur Christus und kein Mensch geben kann.

Ein Freund rief mich an und sagte wörtlich: „Das ist das beste was ich je zum Thema Zeugen Jehovas gelesen habe“, und dieser ist ein Noch-Zeuge-Jehovas. „Du musst daraus ein Video machen“, sagte er. Und so entstand das erste Video auf meinem Youtube-Kanal. Das Echo war gewaltig. Die vielen ermutigenden Kommentare, das Mitgefühl und die Erkenntnis, das es vielen genauso geht wie mir, bestärkte mich den Kanal mit weiteren Videos zu füttern. Innerhalb von 6 Monaten erreichten die Videos mehr als 150.000 Downloads. Durch den Kanal habe ich sogar neue Freunde und auch Geschwister im Glauben gefunden.

Warum mache ich mir so viel Arbeit mit dem Kanal, fragten mich einige. Die Antwort ist für mich ganz einfach: Nicht damit Menschen mir und dem Kanal folgen, sondern Jesus. Dass was ich gebraucht hätte über die vielen Jahre des Zweifelns und des kaum auszuhaltenden Drucks versuche ich nun für Zeugen Jehovas und Ehemalige zusammenzutragen.

Mittlerweile ist aus dieser Broschüre ein starker Youtube-Kanal geworden. Hier gibt es auch einen regelmäßigen Livestream in dem meine Gäste und ich Fragen live beantworten. Nachdem ich Anfang 2021 im Livestream die Frage stellte ob jemand Lust hätte bei einem Online-Hauskreis mitzumachen, konnten bereits im ersten Monat drei Online-Hauskreise gestartet werden. Hier tauschen wir uns nun aus über Gottes Wort und unsere Erfahrungen. Wir beten hier gemeinsam und erkunden gemeinsam die neue Freiheit, die nur die Wahrheit bringen kann (Joh. 8, 32). Außerdem ist nun diese Webseite entstanden und weitere Hilfsangebote für ausstiegswillige Zeugen Jehovas und ehemalige Zeugen Jehovas sind in Planung.

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